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Ausgerechnet Medienhäuser verzichten oft auf eine systematische Content-Strategie. Brigitte Alice Radl hält das für einen Fehler und hat für die VGN Mailserien entwickelt, die wie Mini-Magazine funktionieren
Früher war der „trend“ ein Magazin über das Thema Wirtschaft. Heute ist er eines für „Leaders in Business“. Eine ähnliche Veränderung haben auch die anderen Marken der VGN Medien Holding durchgemacht: Sie fokussieren nicht mehr auf Themen, sondern wenden sich an klar definierte Communitys. Die Zielgruppe wird dadurch vielleicht kleiner, aber homogener – und damit wertvoller für die Vermarktung.
Wie verändert sich das journalistische Angebot durch diese neue Strategie?
Eher schrittweise. Denn Print-Magazine sind kein ausgesprochen wendiges Medium. Oft ist es vielversprechender, zusätzliche Formate zu entwickeln. Hier kommt Brigitte Alice Radl ins Spiel. Die Content-Strategin konzipiert für die VGN neue, digitale Produkte. „Wir sind ein kleines Team aus zwei Leuten, das schnell neue Dinge ausprobiert, Feedback einholt und sie dann entweder weiterentwickelt oder auch mal verwirft“, sagt die Absolventin der FH Joanneum, wo sie zu Beginn der 2010er-Jahre begonnen hat, mit der damals jungen, in den USA entstandenen Disziplin der Content-Strategie zu arbeiten. Also eine Methode, mit der Unternehmen – jeder Branche – Inhalte planen, produzieren und steuern können, die für die Menschen relevant und anwendbar sind. Die jedoch ausgerechnet von Medienhäusern nur selten systematisch eingesetzt wird.
DAS CREDO DER CONTENT-STRATEGIN
Unsere neuen Produkte sollen die jeweiligen Communitys direkt ansprechen und die Mar-kenwelten für sie wertvoller machen“, erklärt Radl. Das ist eine Aufgabe, an die die Content-Strategin anders heran-geht, als es die meisten klassischen Journalisten tun würden. „Wir machen ausschließlich Inhalte, die für die Menschen einen persönlichen Nutzen haben. Darauf hinterfragen wir alles beinhart. Bewirken unsere Inhalte einen Unterschied im Leben der User: innen?“ Einen weiteren Bestandteil ihres Content-Credos, das mit der herkömmlichen Vorstellung von der vierten Gewalt im Staat nur am Rande zu tun hat, nennt sie „Tangible Content „Unsere Inhalte müssen spür- und erlebbar sein“, so Radl. „Sie sollen alle Sinne an-sprechen und dadurch wirken. Das bedeutet auch, dass sie nicht anstrengend zu rezi-pieren sein dürfen – das ist in Zeiten des Content-Overkill ein No-go.“ Sie verwendet viel Zeit auf die Bildauswahl, achtet auf bildhafte Sprache. Interne Daten zeigen etwa: Rezepte performen gut, aber nur mit schönen Fotos. „Hochästhetische Inhalte wirken natürlich besser als Textwüsten. Die liest am Handy sowieso niemand.“ Auch das ist ein Learning der Content-Strategie: Man muss verstehen, wie die Menschen das Produkt nutzen.
MAILSERIE VERSUS NEWSLETTER
Was für Produkte entwickeln Radl und ihr Kollege konkret? Ein Fokus lag zuletzt auf Mail-serien, die exklusiv an Abonnenten: innen ausgesendet werden. „Das bitte nicht mit einem herkömmlichen Newsletter verwechseln, der eher eine Linksammlung ist und für gewöhnlich eine von zwei Funktionen hat: Entweder dient er als Werbefläche, oder er soll Nutzerinnen zu Abonnenten: innen konvertieren“, sagt sie. „Unsere Mailserien sind abgeschlossene redaktionelle Produkte, die wie ein eigenständiges Mini-Magazin funktionieren. Das Ziel ist nicht, etwas zu verkaufen, sondern ein konkreter Mehrwert für die Leser: innen und dadurch eine höhere Kundenbindung.“ Beim Trend sind das etwa Tipps, die im Alltag von Führungskräften direkt anwendbar sind – von Remote Leadership bis zu Konfliktmanagement.
"Wir machen ausschließlich Inhalte, die für die Menschen einen persönlichen Nutzen haben.“
Qualität funktioniert, das zeigen die KPIs: Während ein durchschnittlicher Newsletter - Öffnungsraten von 20 bis 25 Prozent hat, liegen sie bei den Mailserien von Trend, Woman und Gusto bei knapp 40 Prozent, fallweise auch höher. „Wenn wir die Zielgruppen noch feiner segmentieren, dann können wir die Öffnungsraten sogar noch weiter erhöhen“, hofft Radl. In Zukunft soll auch das hauseigene Studio für Video- und Audioformate intensiver genutzt werden. „In Österreich gibt es für Podcasts noch viel Potenzial, wir sind weit hinten nach“, so Radl. „Das Wichtige ist aber, dass all diese Produkte keine Stand-alone-Formate sind. Letztlich geht es darum, die Angebote für die Userinnen unter dem Dach der Marke intelligent zu verknüpfen.
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Foto: Dieter Brasch
Brigitte Alice Radl ist Content-Strategin in der VGN Medien Holding.