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Wie können Medien mit journalistischen Inhalten heute und in Zukunft Geld verdienen? Drei Expert:innen teilen Insights aus ihrer Praxis.
Es war ein Paradebeispiel dafür, wie man Produkte nicht in die digitale Welt überführt: Lange Zeit haben Medien ihre Inhalte gratis ins Netz gestellt. Mit der breiten Einführung von Paywalls vor wenigen Jahren taten sich die Verlage daher einen großen Gefallen, sagt Lisa Jäger, Medien-expertin bei der Unternehmensberatung Simon-Kucher. „Die Frage ist allerdings nicht nur, ob ich eine Bezahlschranke habe, sondern was für eine. So gab es zuletzt einen Shift von Metered-Modellen – bei denen der User eine bestimmte An-Zahl von Artikeln umsonst lesen kann – zu Free-mium-Modellen, bei denen der Verlag bestimmt, welche Inhalte hinter der Paywall landen. „Das ist der richtige Ansatz, wenn der Verlag entscheidet, was unique ist“, so Jäger. Klar ist für sie zudem: Guter Content alleine reicht nicht aus. Was noch notwendig ist: Usability. „Alle Studien zeigen, dass das den Leuten wichtig ist. Die Dar-stellung muss maximal User-friendly sein.“ Es muss Spaß machen, sich am Portal zu bewegen, sei es am Handy oder am Computer, man muss sich schnell zurechtfinden, die Bezahloptionen sollen leicht zu verwalten sein.
"Medien müssen wissen, wer ihre User:innen sind"

Noch etwas zeigt sich in der Praxis: Digital erfolgreiche Unternehmen wissen, wer ihre User: innen sind – wo sie herkommen, etwa von Facebook oder Instagram, wie regelmäßig sie kommen, welche Inhalte sie interessieren, wie lange sie welche Art von Artikel lesen, welche Zahlungsbereitschaft sie haben. „Dann kann ich ihnen, wenn sie auf eine Bezahlschranke treffen, genau das richtige Angebot aus meiner Palette vorschlagen“, erklärt Jäger. Das sei vor allem auf kleinen Handy-Displays wichtig, auf denen nicht genügend Platz ist, um zahlreiche unterschiedliche Optionen aufzulisten. Klar ist: Man dürfe nicht alle Kund: innen über einen Kamm scheren. Und dafür sei die richtige Technik das A und O. Zumal es nicht nur um die Zahl, sondern um die Qualität der Abonnent: innen gehe.
„Wichtig ist der Customer Lifetime Value“, meint die Be-raterin. „Lieber zwei loyale Abonnenten als vier, die gleich wieder weg sind.“ Und dann Möglichkeiten für Upselling oder Cross-Selling nutzen, also teurere oder zusätzliche Services anbieten. Außerdem: Es geht nicht nur darum, zahlende User: innen zu bekommen, sondern auch darum, sie zu behalten. Wenn ich erkenne, dass jemand kurz vor der Kündigung steht, kann ich entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen. Das Fazit und zugleich der wichtigste Hebel für Medien-unternehmen, um ihre Inhalte zu monetarisieren: „Wenn ich weiß, wer meine User: innen sind und was sie wollen, dann kann ich passgenaue An-gebote entwickeln und meine Produkte besser vermarkten“, so Jäger.
Vor allem benötigen Medienunternehmen immer mehr Technologie-Kompetenz, die sie aber nur begrenzt selbst aufbauen können. Gerade die Technologie im Bereich Werbung wird immer komplexer. „Manche Verlage möchten nicht völlig von den großen Tech-Konzernen abhängig sein und entwickeln daher eigene automatisierte Plattformen für die Werbevermarktung.“ So etwas könne man nicht mit der eigenen IT-Abteilung managen. Eine Möglichkeit: Andere Marktteilnehmer mit entsprechender Kompetenz aufkaufen und die Technologie dann weiterentwickeln. Werbung könnte in manchen Bereichen an Bedeutung gewinnen: „Bei Video on demand sehe ich Potenzial für Geschäftsmodelle, die anstelle von Abos auf Werbung basieren“, meint Böhm. „In den USA wird das schon lange gemacht, in Europa noch fast gar nicht.“
Welches Potenzial haben Subscriptions?
Weniger als erhofft, meint Böhm. „Im Schnitt hat jeder deutsche Haushalt zwei Medien-Abos. Wir haben bis vor kurzem erwartet, dass sich das in den nächsten zwei Jahren verdoppeln wird, aber mittlerweile sind wir vorsichtiger.“ Medien-Unternehmen sollten gerade deshalb ihre Kompetenz in Sachen Abo-Management „enorm ausbauen“ – um den Umsatz pro Abonnent zu maximieren und den Churn, also die Kündigungsrate, zu minimieren. „Telekom-Unternehmen machen das schon seit Jahren. Medien-häuser können sich davon sehr viel abschauen.“ Böhm glaubt auch, dass Micro-Payment-Mo-delle einen Aufschwung erleben könnten. Durch die Blockchain-Technologie werde transaktionsbasiertes Bezahlen immer einfacher, ohne die Notwendigkeit, seine Daten jedes Mal neu eingeben zu müssen. Böhm: „Hier werden wir in der technologischen Entwicklung Quanten-sprünge erleben.“
"Ein zentrales Thema sind Partnerschaften"

Der österreichische Markt war bisher – anders als der deutsche – noch relativ gut geschützt vor dem Wettbewerbsdruck durch internationale Wettbewerber. Zu verdanken sei das regulativen Eintrittsbarrieren, sagt Klaus Böhm, Medien-Experte bei der Unternehmensberatung Deloitte. Ein Mediensterben habe daher hierzulande noch nicht stattgefunden. „Aber es ist fraglich, ob dieser Zustand in Österreich noch lange bestehen bleibt.“ Wie können Medienhäuser hier erfolgreich bleiben? „Ein zentrales Thema sind Partnerschaften“, so Böhm. „Auf allen Wertschöpfungs-stufen steigt die Notwendigkeit, mit Partnern zusammenzuarbeiten.“ Ein Megatrend sei die Globalisierung der Medienbranche. Eine globale Perspektive wird etwa bei den Rechten an Bewegtbildern immer wichtiger. Aber auch auf nationaler Ebene steige der Druck, sich zu konsolidieren und in Allianzen einzusteigen. „Ich benötige Partner, um die Vielfalt der Inhalte gewährleisten zu können“, erklärt der Deloitte- Berater. „Ich kann nicht alles selbst produzieren.“ Dann brauche man Distributionspartner, um die Inhalte zu dem Nutzer: innen, etwa in sozialen Medien, zu bringen. Manche Verlage schließen sich zusammen, um ein größeres Volumen an Werbefläche zu bieten – und auch mit internationalen digitalen Plattformen konkurrieren zu können.
Es jammern viele, aber das ist substanzlos“, sagt Michael Grabner. „Mir sind nicht viele österreichische Medienunternehmen bekannt, die auch in der Pandemie keine ausreichenden Gewinne machen.“ Seine Schlussfolgerung: „Mit Medien lässt sich immer noch Geld verdienen, wenn man es gut macht und langfristig denkt.“ Doch wie geht dieses „gut machen“? Das ist für den Mediaprint-Veteranen recht klar, dem heute als Gesellschafter der DvH-Medienholding kleine Anteile an deutschen Titeln wie Handelsblatt, Zeit oder Tagesspiegel gehören.
Das wichtigste Prinzip, um in der digitalen Transformation zu bestehen: „Wir maximieren nicht den Traffic, sondern die inhaltliche Qualität, um damit langfristig Paid-Modelle generieren zu können. Wir bauen Redaktionen aus und nicht ab.“ Die Zeit ist heute ein Paradebeispiel für den Erfolg dieser Strategie. „Anfangs wurde die Zeit von jenen, die nur auf den Traffic geschaut haben, belächelt. Aber heute sind es die Kollegen in Hamburg, die lächeln“, so Grabner. Wichtig sei, die Qualität kontinuierlich zu liefern – denn heute hätten die User: innen permanent die Möglichkeit, zu anderen Angeboten zu wechseln. Die Ausrichtung auf die Zielgruppe sei wesentlich. „Wenn sich ein Medium an Wirtschaftsinteressierte richtet, dann bringt ein Ranking der besten Eissalons in Köln vielleicht Traffic, aber Sie erreichen die Zielgruppe nicht.“ Regionalzeitungen müssen den Fokus auf guten lokalen Content legen. „Wenn ich mir die internationale Entwicklung anschaue, dann lautet meine Michael Grabner investiert mit seinem Familienunternehmen Michael Grabner Media GmbH, Wien, in Startups, außerdem ist er Gesellschafter und Aufsichtsratsvorsitzender der DvH Medien GmbH in Stuttgart. Prognose: In jedem Kulturraum wird es einige – wenige – Medienmarken geben, die Bestand haben. Und zwar jene, die nachhaltige, gute Qualität produzieren und dies in allen Aggregationsformen – Print, digital, Social Media, Newsletter – ausspielen können.“
"Wir maximieren nicht Traffic, sondern Qualität"

Ein weiterer strategischer Ansatz: Unter dem Dach einer starken Marke selektive Nischen zu besetzen, um damit bestimmte Zielgruppen noch besser anzusprechen – wodurch sie eher bereit sind, Geld für die Angebote auszugeben. Die Zeit bietet unter ihrem Logo mittlerweile eine ganze Palette von Magazinen an, zu Themen wie Verbrechen, Geschichte oder Wissen. Der Tagesspiegel wiederum hat die „Backgrounds“ entwickelt, regelmäßige, vertiefende Fachpublikationen zu Themen wie Energie, Smart City oder Cybersecurity. Ein „verhältnismäßig gutes Geschäft“, das in Österreich aber „noch sehr reduziert wahrgenommen“ wird, seien eigene Kongresse und Fachveranstaltungen. Auch da werde die starke Medienmarke genutzt. Und auch die Entwicklung von Nebengeschäften könne vielversprechend sein, meint Grabner: „Viele deutsche Verlage haben etwa in ihrem Zustellgebiet eine alternative Post aufgebaut.
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