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Immer mehr brauchen eine Auszeit

Von Ivona Jelcic.

Die Corona-Pandemie der vergangenen Jahre hat sich erkennbar auf die Mediennutzung in Österreich ausgewirkt. Daraus ergeben sich Krisen, aber auch Chancen.

Pünktlich zum Beginn der Nachrichtensendung versammelt sich die Familie vor dem Fernsehgerät: Das klingt nach längs vergangenen Zeiten, dürfte sich im Frühjahr 2020 aber auch in Österreich wieder häufiger so zugetragen haben. Nach dem Aufkommen der Infektionskrankheit Covid-19 war die Verunsicherung in der Bevölkerung enorm, und entsprechend groß war auch das Informationsbedürfnis. TV, Radio und Zeitungen erzielten Rekordreichweiten, auch bei jungen Menschen, die von klassischen Medien immer schwerer zu erreichen schienen.

NEWS WERDEN ZUR BELASTUNG

Das Bild vom einträchtig vor der Mattscheibe versammelten Mehrgenerationenpublikum greift dennoch zu kurz, weil Nachrichten längst nicht mehr nur linear konsumiert werden. Unabhängig von der Art der Mediennutzung stieg aber gerade zu Beginn der Pandemie die Bedeutung von Qualitätsjournalismus und etablierten Medien, während Social-Media-Quellen in den akuten Pandemiephasen an Bedeutung verloren. Das ergaben Befragungen, die das Gallup-Institut in Kooperation mit dem Medienhaus Wien ab März 2020 regelmäßig durchgeführt hat. Im zweiten Halbjahr 2021 gab jedoch fast die Hälfte der Befragten (jeweils 1.000 Personen, repräsentativ für die webaktive Bevölkerung ab 16 Jahren) an, sich nicht mehr täglich über die Pandemie zu informieren. Der Ausspruch „Only bad news are good news“ über die auflagenstärkende Kraft von Negativmeldungen ist bekannt, bezieht sich aber in erster Linie auf die Macht der Sensation. Was die Berichterstattung über die Coronakrise betrifft, ging die Tendenz zuletzt verstärkt in Richtung Nachrichtenvermeidung. Einen Grund dafür nennt der Medienforscher Andy Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien: „Die Leute sind erschöpft und wollen sich den schlechten Nachrichten nicht mehr aussetzen“, zumal mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges im Februar 2022 noch weitere von vielen als belastend empfundene Nachrichten hinzugekommen seien. Die Zahlen zeigen aber auch, dass etablierte Medien ihren Vertrauensbonus im Verlauf der Coronakrise in Teilen der Bevölkerung eingebüßt haben. Zu beobachten war eine Spaltung in zwei Lager von Medienkonsumentinnen und Medienkonsumenten. Insbesondere impf- und maßnahmenkritische Menschen bewerteten die Arbeit der klassischen Medien – im Gegensatz zu bereits geimpften oder impfbereiten Personen – zunehmend negativ und attestierten ihnen eine geringe Glaubwürdigkeit. Zugleich etablierten sich, wie auch andere Studien zum Medienverhalten zeigen, mediale Sammelbecken für sogenannte Corona-Skeptikerinnen und Corona Skeptiker. Unter 30-Jährige wandten sich außerdem wieder verstärkt Social-Media-Kanälen zu.

VIELE SIND NICHT MEHR ERREICHBAR

„Die Coronakrise wirkt wie ein Brennglas auf die Herausforderungen der Legacy-Medien“, kommentiert Andrea Fronaschütz, Leiterin des Gallup-Instituts, die Ergebnisse einer Befragungswelle aus dem Jahr 2021. Zwar waren 74 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher der Ansicht, dass unabhängiger Journalismus für eine demokratische Gesellschaft „sehr wichtig“ sei. Doch den klassischen Medien sei es in den Monaten zuvor nicht gelungen, „jene Bevölkerungssegmente abzuholen, die bereits vor der Krise zu den schwer Erreichbaren zählten: die Politikverdrossenen, welche die Medien als Bestandteil des Systems ansehen, und die Jungen. Auch Menschen, die laut Selbstauskunft unter den Einschränkungen der Pandemie stark gelitten haben, urteilen schlecht über die Berichterstattung. Konstruktive, lösungsorientierte Nachrichten werden vermisst.“ In unabhängigem Journalismus, digitalen Angeboten und Formaten, die Interaktion fördern, sieht auch Medienforscher Kaltenbrunner eine Möglichkeit, diese Gruppen zurückzugewinnen und dauerhaft zu halten. Allerdings werde diese Chance bislang noch zu wenig genutzt, so der Experte.

FOTO: Adobe Stock/peopleimages.com