Hier geht´s zum PDF: Kritisch durch die Weihnachtszeit – Wenn Mythen mitfeiern
Weihnachten, die Zeit für Harmony, Love und Family-Time. So stellen wir uns das vor, oder? In der Realität läuft es oft anders. Plötzlich sitzt man mit der Familie am Tisch, inklusive Leuten, die man das ganze Jahr über kaum sieht und zack, es wird kompliziert. Besonders tricky wird es, wenn diese Familienmitglieder voll im Desinformationsuniversum herumschweben. Für Medienschaffende kann das richtig stressig sein: beruflich kämpft man für Fakten, privat merkt man, dass Argumente manchmal einfach nicht wirken. In solchen Momenten hilft es nicht, als „Expert:in“ aufzutreten, sondern als Mensch: zuhören, Verständnis zeigen und die Beziehung in den Vordergrund stellen. Aber wie macht man das ohne Drama?
Wichtig ist zu verstehen, warum Menschen überhaupt auf Fake News, Verschwörungstheorien oder übermäßige Medienskepsis hereinfallen. Wer darauf hereinfällt, ist nicht automatisch beeinflussbar oder gar dumm, das kann jedem:r passieren. Diese Perspektive kann man ruhig vermitteln. Fake News zu erkennen ist lernbar, ebenso die Emotionen, die oft eine große Rolle dabei spielen, kritisch zu hinterfragen. Schwieriger wird es, wenn Familienmitglieder in eine Ideologie abdriften, die wir nicht nachvollziehen können und für die es keine klaren Beweise gibt.
Wer auf diese Milchstraße abbiegt und weiterfliegt, bei dem:der gibt es oft einen individuellen Trigger: Gefühle von Ohnmacht, der Eindruck, keinen Einfluss auf politische Entscheidungen zu haben, Unsicherheit oder das Gefühl, auf der Verlierer:innenseite zu stehen. Ideologien vereinfachen die Welt, ordnen sie in Gut und Böse und wirken gerade in unsicheren Zeiten stabilisierend. Fast alle Fake-News und Verschwörungstheorien folgen einem ähnlichen Muster: Es gibt ein Problem, eine:n Schuldige:n und eine Lösung – die obviously aus der Beseitigung der Schuldigen besteht. Mit der Flucht in dieses Paralleluniversum, können Menschen Kontrolle zurückgewinnen oder Selbstwirksamkeit erleben, zum Beispiel durch Protest oder das Gefühl, aktiv etwas zu tun.
Wie offen jemand für andere Sichtweisen ist, hängt stark davon ab, wie identitätsstiftend die jeweilige Ideologie für ihn oder sie ist. Gegenargumente allein wirken oft nicht, im Gegenteil: Sie führen eher zu Abwehrhaltung. Alexander Eydlin beschreibt das sehr gut in einem ZEIT-Artikel: In seiner Zeit als Anhänger von Verschwörungstheorien hat ihn der Versuch seines Umfelds, ihn „umzuerziehen“, nur noch weiter in seine Bubble getrieben. Wirkung zeigte hingegen der persönliche Kontakt:
„Nicht die Argumente haben mich überzeugt, sondern die beständigen Freundschaften mit Menschen, die meine Ideen nicht teilten und dennoch mehr in mir sahen als einen Spinner. Sie stritten mit mir, aber erst nachdem sie sich die Zeit genommen hatten, meine Gedanken zu verstehen. Die Zeit, der Respekt und die Zuneigung zu mir als Person waren wertvolle Ressourcen, die mir Sinn jenseits der Mythen gaben. Das Verhalten der Person war wichtiger als ihre Ansichten.“
Die Botschaft: Beziehung zählt. Den Kontakt aufrechtzuerhalten, Fragen zu stellen und Dialogbereitschaft zu zeigen, wirkt oft mehr als harte Fakten. Abwertungen wie „Du bist verrückt!“ sind kontraproduktiv. Sie zerstören Vertrauen und die Person verschließt sich noch mehr.
Was heißt das konkret für dich an Weihnachten? Den weihnachtlichen Frieden mit einer Diskussion zerstören oder doch lieber schweigen? Grundsätzlich musst du dir vorher klar überlegen, was du mit einem Gespräch erreichen willst, um nicht daran zu vergehen. Möchtest du nur wissen, was dahintersteckt oder möchtest du jemanden überzeugen? Du muss auch nicht sofort eine Diskussion starten. Es kann auch ausreichen, einfach auszudrücken – nicht abwertend, das ist ganz wichtig! – dass man mit etwas nicht einverstanden ist. Das überzeugt zwar niemanden, aber du setzt ein Zeichen. Auch wenn du bei einer Diskussion nicht zur Person durchkommst und ihre Meinung änderst, kann es trotzdem sein das andere Personen am Tisch zuhören und du sie zum Nachdenken anregst. Wir können mit Gegenargumenten nicht die Welt retten, aber sie ein bisschen besser machen.
Infos & Quellen
Beratungsstellen:
- https://bundesstelle-sektenfragen.at
- https://www.beratungsstelleextremismus.at/
Quellen:
- https://www.beratungsstelleextremismus.at/wp-content/uploads/2021/08/Beratungsstelle_Extremismuserungstheorien.pdf
- https://www.derstandard.at/story/2000121955526/warum-menschen-an-eine-verschwoerung-glauben
- https://www.zeit.de/politik/2020-09/verschwoerungstheorien-michael-butter-corona-demos-politikpodcast
- https://www.zeit.de/kultur/2020-09/verschwoerungstheorien-anhaenger-erfahrung-umgang-vorurteile-coronavirus
- https://www.lpb-bw.de/fake-news