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Wer verbreitet Hass – und warum? 

Hier gehts zum PDF: Hate Speech: Wer verbreitet Hass

Ein Blick auf neue Studienergebnisse

Ob als Kommentar unter einem Zeitungsartikel oder im TikTok-Feed: Hate Speech ist längst Teil unseres digitalen Alltags. Wie verbreitet Hasspostings sind, zeigt eine aktuelle Studie von Hutzinger und Weitzl (2025).

  • 18 % der Menschen in Österreich haben in den letzten 12 Monaten Hasspostings veröffentlicht
  • 37 % der regelmäßig Postenden waren in diesem Zeitraum mit Hate Speech beteiligt
  • 8 % hatten bereits eine Account-Sperre – mutmaßlich wegen Hassverhaltens

Demnach haben 18 Prozent der Menschen in Österreich zwischen 16 und 75 Jahren in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal Hass in sozialen Medien verbreitet – ein alarmierender Befund. Besonders bemerkenswert: Unter jenen, die regelmäßig posten, ist der Anteil sogar doppelt so hoch (37 %). Gleichzeitig wurde rund 8 % der Nutzer:innen bereits ein Account gesperrt – mutmaßlich aufgrund von Hassverhalten.

Doch wer postet solche Inhalte eigentlich und aus welchen Motiven? Um diesen Fragen nachzugehen, haben die Forschenden zwei repräsentative Online-Studien durchgeführt. Ihr Fokus lag nicht (wie häufig üblich) auf den Betroffenen oder Beobachter:innen von Hate Speech, sondern gezielt auf den Täter:innen. Analysiert wurden dabei sowohl die Häufigkeit der Hasskommentare als auch das Ausmaß deren inhaltlicher Hasserfülltheit.

Persönlichkeit schlägt Demografie

Das überraschende Ergebnis: Weder Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad noch politische Orientierung sagen verlässlich voraus, wer Hasspostings schreibt. Stattdessen ist die individuelle Persönlichkeit entscheidend: Wer besonders zynisch, gefühllos (Psychopathie), machtorientiert (Machiavellismus) oder auf Aufmerksamkeit aus (Narzissmus) ist, verfasst nicht nur häufiger Hassbotschaften. Diese sind auch deutlich hasserfüllter. Einziger demografischer Effekt: Mit zunehmendem Alter nimmt der Hassgehalt ab.

Hass aus Rache und für Likes

Auch die Motive der Hater:innen geben Einblicke in deren Logik: Als häufigste Gründe für Hasspostings werden ideologische Überzeugungen genannt, gefolgt von Rache, Erheiterung, dem Wunsch nach Zugehörigkeit zur Gruppe und dem Streben nach Status. Was viele unterschätzen: Positive Rückmeldungen (also Likes, Shares oder zustimmende Kommentare) wirken wie ein Verstärker. Wer für seine Hasspostings digitale Zustimmung erhält, postet mit hoher Wahrscheinlichkeit auch künftig weiter.

Löschen hilft? Eher nicht

Eine weitere brisante Erkenntnis: Wird ein Hasskommentar gelöscht, erhöht sich das Risiko, dass der oder die Verfasser:in künftig noch mehr Hass verbreitet. Ein bloßes Entfernen solcher Inhalte greift also womöglich zu kurz – und kann sogar kontraproduktiv sein.

Was bedeutet das für Medienschaffende?

Medienunternehmen stehen damit vor einem Dilemma. Sie müssen Betroffene schützen und gleichzeitig vermeiden, Täter:innen durch Löschungen noch weiter zu radikalisieren. Dazu braucht es zum einen mehr Forschung, denn nur durch ausreichende Kenntnis der Sender:innen-Perspektive ist es möglich, effektive Maßnahmen gegen Hate Speech zu ergreifen. Wer wirkungsvoll gegen Hass im Netz vorgehen will, muss mehr über die Menschen wissen, die ihn verbreiten. Zum anderen müssen sich auch Medienschaffende intensiv mit dem Thema beschäftigen und neue Strategien im Umgang mit Hate Speech entwickeln. Zudem kann Medienkompetenz helfen, Hass im Netz früh zu erkennen, einzuordnen und wirksam dagegen vorzugehen. Wer versteht, wie Hate Speech funktioniert, welche Dynamiken sie auslöst (etwa durch Likes oder algorithmische Sichtbarkeit), kann bewusst gegensteuern, statt ungewollt zur Verbreitung beizutragen.

Medienhäuser, Medienschaffende, Individuen, Plattformen, Politik und die Gesellschaft als Ganzes müssen dazu gemeinsam Verantwortung übernehmen. Nur wenn Wissen, Haltung und Handlungskompetenz zusammenkommen, lässt sich Hate Speech langfristig und nachhaltig eindämmen.

Umgang mit Hate Speech
  • Solidarität zeigen: Like oder kommentiere unterstützend unter dem betroffenen Beitrag. Das zeigt der Person: Sie ist nicht allein.
  • Nicht weiterverbreiten: Teile Hassinhalte nicht – auch nicht, um dich darüber aufzuregen. Jeder Klick erhöht die Sichtbarkeit.
  • Community aktiv moderieren: Netiquette formulieren, Regeln durchsetzen, Grenzen benennen.
  • Langfristig denken: Entwickle gemeinsam mit Kolleg:innen Strategien, wie mit wiederkehrenden Täter:innen oder gezielten Angriffen umzugehen ist.

Weitere Tipps findest du hier.

Infos & Quellen

Kontext:

Hate Speech stellt eine Herausforderung für die Medienkompetenz dar, weil sie gezielt Emotionen manipuliert, diskriminiert und die Grenzen zwischen Meinung und Menschenfeindlichkeit verwischt. Wer medienkompetent ist, kann solche Inhalte erkennen, einordnen und verantwortungsvoll damit umgehen – sowohl als Konsument:in als auch als Produzent:in.

Quellen:

Hutzinger, C. und Weitzl, W. 2025: Hate Speech auf österreichischen und deutschen Nachrichtenportalen (RTR Kurzbericht): (Microsoft Word – Kurzbericht für Projekt Hate Speech auf österreichischen und deutschen Nachrichtenportalen 28.2.2025..docx).
Anmerkung: Hierbei handelt es sich um einen Zwischenbericht. Auf Anfrage teilte der Studienleiter mit, dass eine wissenschaftliche Publikation in Arbeit und weitere Veröffentlichungen geplant seien.

Neue deutsche Medienmacher:innen e.V.: https://neuemedienmacher.de/no-hate-speech-movement/.

Neue deutsche Medienmacher:innen e.V.: Wetterfest durch den Shitstorm. Leitfaden für Medienschaffende zum Umgang mit Hass im Netz.  https://neuemedienmacher.de/fileadmin/dateien/PDF_Borschueren-Infomaterial-Flyer/Leitfaden_gegen_Hassrede_2022.pdf.