Hier gehts zum PDF: KIdeMu Workshop Ergebnisse
Kann ChatGPT mit Journalist:innen mithalten? Wir haben es getestet: Beim diesjährigen re:think media hat das ZfM im Rahmen des Workshops „KIdeMu: KI deine Mutter“ das Experiment gestartet, wer wohl den besseren Kommentar über die aktuelle räumliche Nutzung des Platzes ZwiDeMu schreiben kann: Die KI oder doch der Mensch selbst? Insgesamt gab es vier Teams, von denen jeweils zwei ausschließlich KI zur Texterstellung nutzten, während die anderen beiden sich an standardisierte journalistische Praktiken halten mussten, ohne KI zu verwenden.
Die Zeit war mit 35 Minuten schon sehr knapp bemessen. Während bei den KI-Teams bereits ein ganzer Text inklusive Bild fertig war, waren die Teams ohne KI noch damit beschäftigt, draußen herumzurennen, Fotos vom Platz zu schießen, online zu recherchieren und das Ganze anschließend noch schön und „sexy“ in einen Text zu verpacken. Doch genau das machte das Experiment spannend.
Wie sich die knapp bemessene Zeit auf die Aufgabenstellung ausgewirkt hat, war dann an der Textlänge deutlich zu sehen. Die KI-Gruppen konnten mehr Zeilen produzieren und eine ausgewogenere Pro- und Kontra-Position beziehen. Also hier keine große Überraschung: Die KI liegt in puncto Zeitersparnis eindeutig vorn. Auch bei den Formalia wie Aufbau und Gliederung konnten die KI-Kommentare punkten. Allerdings scheint ChatGPT nur sehr ungern zu gendern und wenn, dann nur dort, wo es gerade möchte. So probably, we wouldn’t recommend that.
Ansonsten haben die KI-Teams die Aufgabenstellung aber ziemlich exakt erfüllt. Daher: Ab in den Druck damit!
Doch so einfach ist das dann auch wieder nicht. Ja, die selbst geschriebenen Texte waren weniger umfangreich in allen Punkten, kürzer und enthielten weniger Argumente, die für oder gegen die Nutzung des Platzes ZwiDeMu sprechen, was ja Teil der Aufgabenstellung war. Dennoch: Der eine oder andere Satz ringt einem beim Lesen ein Lächeln ab. Die Texte haben Charakter und spiegeln die Autor:innen selbst wider. Man erkennt, wie sie mit Humor arbeiten, ihre eigenen Blickwinkel auf ZwiDeMu werfen und was sie mit dem Ort verbinden. Das sind Sätze wie:
„Fragt man sie, so würden sie das Festival im besten Sinne des Wortes als gottlos bezeichnen. Im Gegensatz zu damals ist das allerdings ein Kompliment.“
Eine KI wie ChatGPT hingegen ist weniger kreativ, könnte Jugendliche vor Ort nicht dazu befragen oder gar ein Interview führen. Alles muss „gepromptet“ werden. Denn ChatGPT kann eines richtig gut und das ist, das Internet durchsuchen und das, was es dort findet, fein, strukturiert und sachlich wiedergeben. Und so lesen sich auch die KI-Kommentare: wie heruntergebrochene Fakten. Das mag in einem anderen Kontext hilfreich sein, widerspricht aber dem Kerngedanken eines Kommentars. Wir merken also: KI schafft es nur selten, und nur mit wirklich ausgezeichneten, ja geradezu perfektionierten Prompts, einen Schreibstil zu entwickeln, der eine Persönlichkeit hat.
Am Ende hat uns das Experiment vor allem eines gezeigt: KI kann ein äußerst nützliches Werkzeug sein, besonders dann, wenn es darum geht, sich schnell einen Überblick zu verschaffen, Argumente zu strukturieren oder eine Pro- und Kontraliste zu erstellen. In solchen Momenten erweist sich ChatGPT als hilfreicher Partner, der Ordnung ins Gedankenchaos und zusätzliche Inspiration bringen kann. Doch ChatGPT kann nur mit dem arbeiten, womit es trainiert wurde. Es reproduziert, was schon einmal gedacht, geschrieben oder gesagt wurde. Für neue Ideen, ungewohnte Blickwinkel und kreative Ansätze braucht es weiterhin den Menschen. Oder, anders gesagt: Die KI kann uns vieles abnehmen, das Denken aber bleibt unsere Aufgabe.
Hier gehts zum PDF: Hate Speech: Wer verbreitet Hass
Ein Blick auf neue Studienergebnisse
Ob als Kommentar unter einem Zeitungsartikel oder im TikTok-Feed: Hate Speech ist längst Teil unseres digitalen Alltags. Wie verbreitet Hasspostings sind, zeigt eine aktuelle Studie von Hutzinger und Weitzl (2025).
- 18 % der Menschen in Österreich haben in den letzten 12 Monaten Hasspostings veröffentlicht
- 37 % der regelmäßig Postenden waren in diesem Zeitraum mit Hate Speech beteiligt
- 8 % hatten bereits eine Account-Sperre – mutmaßlich wegen Hassverhaltens
Demnach haben 18 Prozent der Menschen in Österreich zwischen 16 und 75 Jahren in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal Hass in sozialen Medien verbreitet – ein alarmierender Befund. Besonders bemerkenswert: Unter jenen, die regelmäßig posten, ist der Anteil sogar doppelt so hoch (37 %). Gleichzeitig wurde rund 8 % der Nutzer:innen bereits ein Account gesperrt – mutmaßlich aufgrund von Hassverhalten.
Doch wer postet solche Inhalte eigentlich und aus welchen Motiven? Um diesen Fragen nachzugehen, haben die Forschenden zwei repräsentative Online-Studien durchgeführt. Ihr Fokus lag nicht (wie häufig üblich) auf den Betroffenen oder Beobachter:innen von Hate Speech, sondern gezielt auf den Täter:innen. Analysiert wurden dabei sowohl die Häufigkeit der Hasskommentare als auch das Ausmaß deren inhaltlicher Hasserfülltheit.
Persönlichkeit schlägt Demografie
Das überraschende Ergebnis: Weder Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad noch politische Orientierung sagen verlässlich voraus, wer Hasspostings schreibt. Stattdessen ist die individuelle Persönlichkeit entscheidend: Wer besonders zynisch, gefühllos (Psychopathie), machtorientiert (Machiavellismus) oder auf Aufmerksamkeit aus (Narzissmus) ist, verfasst nicht nur häufiger Hassbotschaften. Diese sind auch deutlich hasserfüllter. Einziger demografischer Effekt: Mit zunehmendem Alter nimmt der Hassgehalt ab.
Hass aus Rache und für Likes
Auch die Motive der Hater:innen geben Einblicke in deren Logik: Als häufigste Gründe für Hasspostings werden ideologische Überzeugungen genannt, gefolgt von Rache, Erheiterung, dem Wunsch nach Zugehörigkeit zur Gruppe und dem Streben nach Status. Was viele unterschätzen: Positive Rückmeldungen (also Likes, Shares oder zustimmende Kommentare) wirken wie ein Verstärker. Wer für seine Hasspostings digitale Zustimmung erhält, postet mit hoher Wahrscheinlichkeit auch künftig weiter.
Löschen hilft? Eher nicht
Eine weitere brisante Erkenntnis: Wird ein Hasskommentar gelöscht, erhöht sich das Risiko, dass der oder die Verfasser:in künftig noch mehr Hass verbreitet. Ein bloßes Entfernen solcher Inhalte greift also womöglich zu kurz – und kann sogar kontraproduktiv sein.
Was bedeutet das für Medienschaffende?
Medienunternehmen stehen damit vor einem Dilemma. Sie müssen Betroffene schützen und gleichzeitig vermeiden, Täter:innen durch Löschungen noch weiter zu radikalisieren. Dazu braucht es zum einen mehr Forschung, denn nur durch ausreichende Kenntnis der Sender:innen-Perspektive ist es möglich, effektive Maßnahmen gegen Hate Speech zu ergreifen. Wer wirkungsvoll gegen Hass im Netz vorgehen will, muss mehr über die Menschen wissen, die ihn verbreiten. Zum anderen müssen sich auch Medienschaffende intensiv mit dem Thema beschäftigen und neue Strategien im Umgang mit Hate Speech entwickeln. Zudem kann Medienkompetenz helfen, Hass im Netz früh zu erkennen, einzuordnen und wirksam dagegen vorzugehen. Wer versteht, wie Hate Speech funktioniert, welche Dynamiken sie auslöst (etwa durch Likes oder algorithmische Sichtbarkeit), kann bewusst gegensteuern, statt ungewollt zur Verbreitung beizutragen.
Medienhäuser, Medienschaffende, Individuen, Plattformen, Politik und die Gesellschaft als Ganzes müssen dazu gemeinsam Verantwortung übernehmen. Nur wenn Wissen, Haltung und Handlungskompetenz zusammenkommen, lässt sich Hate Speech langfristig und nachhaltig eindämmen.
Umgang mit Hate Speech
- Solidarität zeigen: Like oder kommentiere unterstützend unter dem betroffenen Beitrag. Das zeigt der Person: Sie ist nicht allein.
- Nicht weiterverbreiten: Teile Hassinhalte nicht – auch nicht, um dich darüber aufzuregen. Jeder Klick erhöht die Sichtbarkeit.
- Community aktiv moderieren: Netiquette formulieren, Regeln durchsetzen, Grenzen benennen.
- Langfristig denken: Entwickle gemeinsam mit Kolleg:innen Strategien, wie mit wiederkehrenden Täter:innen oder gezielten Angriffen umzugehen ist.
Weitere Tipps findest du hier.
Infos & Quellen
Kontext:
Hate Speech stellt eine Herausforderung für die Medienkompetenz dar, weil sie gezielt Emotionen manipuliert, diskriminiert und die Grenzen zwischen Meinung und Menschenfeindlichkeit verwischt. Wer medienkompetent ist, kann solche Inhalte erkennen, einordnen und verantwortungsvoll damit umgehen – sowohl als Konsument:in als auch als Produzent:in.
Quellen:
Hutzinger, C. und Weitzl, W. 2025: Hate Speech auf österreichischen und deutschen Nachrichtenportalen (RTR Kurzbericht): (Microsoft Word – Kurzbericht für Projekt Hate Speech auf österreichischen und deutschen Nachrichtenportalen 28.2.2025..docx).
Anmerkung: Hierbei handelt es sich um einen Zwischenbericht. Auf Anfrage teilte der Studienleiter mit, dass eine wissenschaftliche Publikation in Arbeit und weitere Veröffentlichungen geplant seien.
Neue deutsche Medienmacher:innen e.V.: https://neuemedienmacher.de/no-hate-speech-movement/.
Neue deutsche Medienmacher:innen e.V.: Wetterfest durch den Shitstorm. Leitfaden für Medienschaffende zum Umgang mit Hass im Netz. https://neuemedienmacher.de/fileadmin/dateien/PDF_Borschueren-Infomaterial-Flyer/Leitfaden_gegen_Hassrede_2022.pdf.
Hier gehts zum PDF: Medienkompetenz, Social Media und Demokratie
Medienkompetenz, Social Media und Demokratie
Digitale Medien prägen nicht nur, wie Menschen die Welt wahrnehmen, sondern auch, wie sie Demokratie verstehen und leben. In dieser komplexen Beziehung zwischen Mediennutzung, politischem Bewusstsein und gesellschaftlicher Teilhabe spielt Medienkompetenz eine zentrale Rolle.
Medienkompetenz befähigt Bürger:innen, sich souverän, kritisch und informiert im digitalen Raum zu bewegen.
Damit wirkt sie sowohl auf individueller als auch auf systemischer Ebene stabilisierend für die Demokratie.
Die Power von Medienkompetenz
Menschen mit hoher Medienkompetenz können Nachrichten einordnen, journalistische Qualität von Desinformation unterscheiden und Kommunikationsstrategien durchschauen. Sie lassen sich weniger leicht manipulieren, erkennen emotionale Appelle und sind sich der Funktionsweise algorithmischer Strukturen bewusst. So können sie informierte Wahlentscheidungen treffen und einen Beitrag zu einer faktenbasierten Debattenkultur leisten.
Medienkompetenz schützt nicht nur die Wahlfreiheit, sondern ermöglicht auch neue Formen der politischen Teilhabe.
Diese Teilhabe wird durch soziale Netzwerke, Kommentarspalten oder andere digitale Beteiligungsplattformen möglich.
Tatsächlich können digitale Medien die politische Mobilisierung und Wahlbeteiligung fördern. Sie bieten ein vielfältigeres Nachrichtenangebot, können Meinungsfreiheit und Transparenz stärken und ermöglichen es Menschen, sich unkompliziert über politische Prozesse zu informieren und daran teilzunehmen.
Die positive Folge: demokratische Legitimation und Partizipation werden gestärkt, besonders in Gruppen, die über klassische Kanäle schwer erreichbar sind.
Negative Effekte von digitalen Medien
Doch die Effekte sind ambivalent – neben den positiven Möglichkeiten, die digitale Medien mit sich bringen, können sie auch negative Konsequenzen haben.
Digitale Medien können etwa zu Bequemlichkeit verleiten.
Viele Nutzer:innen verlassen sich darauf, dass ihnen relevante Inhalte „zufällig“ begegnen, statt sich aktiv zu informieren.
Diese passive Nutzung erhöht die Anfälligkeit für einseitige Informationen und senkt die Bereitschaft, andere Perspektiven zuzulassen.
Gleichzeitig sinkt in Teilen der Bevölkerung das Vertrauen in klassische Medien, politische Institutionen und demokratische Prozesse insgesamt. Populistische und nationalistische Tendenzen gewinnen an Boden, insbesondere dann, wenn Emotionen hervorgerufen werden sollen oder wenn gezielt Desinformationen verbreitet werden. Die ständige Verfügbarkeit und nicht bewältigbare Menge von Nachrichten führt außerdem dazu, dass manche Menschen diese gezielt vermeiden – sei es aus Überforderung mit den Inhalten oder den Emotionen, die davon ausgelöst werden.
Die Rolle von Algorithmen ist dabei nicht zu unterschätzen. Zwar zeigen empirische Studien, dass Filterblasen weniger strikt wirken, als oft vermutet – Nutzer:innen stoßen durchaus auf abweichende Meinungen. Algorithmische Strukturen tragen aber dazu bei, dass mit politischen Nachrichten vor allem Menschen erreicht werden, die ohnehin schon politisch interessiert sind. Wer sich hingegen nicht sowieso schon für Politik interessiert, bleibt außen vor.
Dadurch entstehen soziale und politische Klüfte, die durch Echokammern und radikalisierende Milieus weiter verstärkt werden können.
Auch Qualitätsstandards sind in der digitalen Informationswelt nicht überall gegeben. Zwischen professionellem Journalismus, privaten Meinungsäußerung und strategischer Desinformation verschwimmen die Grenzen zunehmend.
Für Nutzer:innen ist es nicht immer einfach zu erkennen, mit was sie es im konkreten Fall zu tun haben.
Wer nicht über ausreichende Medienkompetenz verfügt, kann diese Unterschiede nur sehr schwer erkennen – und wird damit anfällig für verzerrte oder manipulierte Darstellungen. Das betrifft vor allem Menschen, die digitale Medien weitgehend automatisch und unbewusst konsumieren.
Was tun?
Wie eingangs bereits erwähnt, liegt in der Förderung von Medienkompetenz ein großes demokratisches Potenzial. Sie schärft Bewertungs- und Reflexionskompetenzen und fördert Perspektivenvielfalt.
So schützt ein hohes Maß an Medienkompetenz vor Manipulation und macht Menschen in einer komplexen Welt handlungsfähig.
Medienkompetente Bürger:innen tragen aktiv zur Stabilität demokratischer Gesellschaften bei – zum Beispiel indem sie sich beteiligen, Widersprüche aushalten, Debatten suchen und verantwortungsvolle Entscheidungen treffen.
Digitale Medien sind damit weder gut noch schlecht. Ihr Einfluss hängt entscheidend davon ab, wie Menschen mit ihnen umgehen – und ob sie in der Lage sind, ihre Chancen zu nutzen, ohne ihren Gefahren zu erliegen.
Medienkompetenz ist kein Nice-to–have, sondern die Basis für Demokratie.
Infos & Quellen
Kontext
Medienkompetenz befähigt Menschen dazu, Inhalte in sozialen Medien kritisch zu bewerten, Desinformation zu erkennen und verschiedene Perspektiven einzuordnen. Dadurch können sie sich fundiert an politischen Diskussionen beteiligen und tragen zu einer lebendigen demokratischen Öffentlichkeit bei. Ohne diese Kompetenz jedoch verstärken soziale Medien Tendenzen wie Polarisierung, Populismus und gesellschaftliche Spaltung.
Quellen
Demokratie-Zentrum Wien: https://www.demokratiezentrum.org/bildung/methodisch-didaktisch/neue-medien-im-unterricht/demokratie-und-neue-medien/
Erwachsenenbildung.at: https://erwachsenenbildung.at/themen/kritische-medienkompetenz/grundlagen/gesellschaftliche-und-politische-rahmenbedingungen-kritischer-medienkompetenz.php
Max-Planck-Institut: https://www.mpg.de/19474069/1108-bild-wie-gefaehrlich-sind-digitale-medien-fuer-die-demokratie-149835-x
Politische Medienkompetenz: https://www.politische-medienkompetenz.de/debatte/demokratie-und-medien/